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Sammlung am Centrum für Anatomie

Schädel mit Beschriftungen von Spurzheim

Galls Assistent und Mitarbeiter war Johann Caspar Spurzheim, von dem er sich 1813 aufgrund dogmatischer Differenzen trennte, was allerdings dazu führte, dass Spurzheim der Schädellehre in England und Schottland und vor allem in den Vereinigten Staaten zu großer Popularität verhalf. Spurzheim war es auch, der den Begriff "Phrenologie" einführte, Gall selbst bezeichnete seine Wissenschaft immer nur als "Schädellehre". Während Spurzheim in Amerika wirkte, erreichte Gall den Höhepunkt seines Ruhms in Paris, wo er seit 1807 erfolgreich als Arzt praktizierte. In Paris entstanden auch seine Hauptwerke, so die mit 100 Kupfertafeln ausgestattete "Anatomie et physiologie du système nerveux en géneral et du cerveau en particulier" in vier Foliobänden (1810-1819). Zuvor hatte Gall ausschließlich in der Zeitschrift "Der Teutsche Merkur" veröffentlicht, die Christoph Martin Wieland in Weimar herausgab. Gall legte eine umfangreiche Schädelsammlung an, die sich heute im Musée de l'Homme in Paris befindet. UM

© Charité: Centrum für Anatomie; Humboldt-Universität: Barbara Herrenkind

Detailangaben

Eintragstyp Plastische Objekte
ID 8511
Inventar-Nr. A.N. 4034 N.C. 380
Dokumentation Katalogtext: Neben der Erforschung des Körpers war die Erkundung der geistigen und seelischen Wirkungskräfte eine nicht weniger große Herausforderung für Anatomen, welche die Selbsterkenntnis des Menschen auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen wollten. Die von dem Arzt und Anatomen Franz Josef Gall um 1800 in Wien entwickelte Schädellehre (Phrenologie) galt zu Beginn des 19. Jahrhunderts als großer Fortschritt und faszinierte nicht nur Mediziner, sondern auch gebildete, nach ihrem Selbstverständnis aufgeklärte Laien. Gall suchte das Unfassliche gleichsam dingfest zu machen, indem er die geistigen und seelischen Anlagen des Menschen im Gehirn lokalisierte und auf der Landschaft des Schädels die Orte verzeichnete, an denen sich, wie er glaubte, ihre »Verrichtungen« entfalteten. So populär diese Lehre auch war - in Wien gedieh das phrenologische Bestimmen von Schädeln zu einer Art Gesellschaftsspiel, an dem jeder ohne viel Vorkenntnisse teilnehmen zu können glaubte -, blieb sie nicht unumstritten und handelte sich den Vorwurf des Materialismus ein, der gegen die »ersten Grundsätze der Religion und Moral« verstoße. Diese damals fundamentale Kritik führte in Wien zum Verbot der Lehre. 1805 trat Gall eine längere Vortragsreise durch Deutschland an, und im August des gleichen Jahres hörte ihn Goethe an der Hallenser Universität. »Seine Lehre«, so Goethe in den Tag- und Jahresheften, »mußte gleich, so wie sie bekannt zu werden anfing, mir dem ersten Anblicke nach zusagen«. Freilich schätzte Goethe, der damals vergleichende morphologische Studien trieb, Galls anatomische Kenntnisse des Gehirns weit höher ein als die populären physiognomischen Spekulationen, eine Einschätzung, die sich Ende des 19. Jahrhunderts bestätigte, als die Schädellehre - im Grunde ein Kind des 18. Jahrhunderts wie Lavaters Physiognomik - wissenschaftlich nicht mehr zu halten war. Als Hirnanatom kam Gall indessen zu richtigen und wegweisenden Einsichten; auf dem Feld der Hirnforschung war er ein Pionier seiner Zeit. UM
Sachtitel Schädel mit Beschriftungen nach der Phrenologie von Spurzheim
Datierung um 1800
Hersteller Johann Caspar Spurzheim
Format 25 x 15 x 21

Verschlagwortung