Wissenschaftliche Sammlungen

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Anton Scharff/ Karl Waschmann, Medaille auf Rudolf Virchow, 1891

Bronze, 175 mm Durchmesser

Die Medaillensammlung der Humboldt-Universität ist vor allem durch Ereignis- und Personenmedaillen der letzten 150 Jahre geprägt. Universitäts- und Institutsjubiläen waren und sind ebenso Anlässe, Medaillen zu prägen wie Geburtstage und Ehrungen von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. Durch zahlreiche Geschenke besitzt die Universität auch diverse Medaillen anderer Universitäten.

Über die hier vorgestellte Medaille auf Rudolf Virchow sind wir ungewöhnlich gut informiert dank des Rechenschaftsberichtes des geschäftsführenden Ausschusses (Berlin 1893). Dass sie zu seinem 70. Geburtstag angefertigt wurde, geht bereits aus ihrer Gestalt hervor – das Avers mit dem Brustbild Virchows im Profil nach rechts trägt in der lateinischen Inschrift die Altersangabe.

Abb. 1
Abb. 1

Am 19. März 1890 wurde im Hörsaal der Anatomischen Anstalt der Beschluss gefasst, eine goldene Medaille zu diesem Anlass gießen zu lassen. Ein Komitee von über 100 Personen, zumeist Professoren, Ärzte, Regierungsräte, Museums- und Institutsdirektoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – organisierte den Spendenaufruf, der bis nach Amerika und Asien ging. Als ausführender Medailleur wurde der Wiener Künstler Anton Scharff beauftragt. Am 13. Oktober 1891 wurde die Medaille bei einem Festakt im großen Saal des Kaiserhofes dem Jubilar überreicht. In der dabei gehaltenen Rede von Wilhelm Waldeyer, Professor für Anatomie, wurde nicht nur die Ikonographie der Medaillenrückseite erläutert, wir erfahren auch, dass Virchows Familie Exemplare in Silber und Bronze erhalten haben und Universitäten und wissenschaftliche Anstalten Exemplare in Bronze bekommen sollen. Entsprechend findet sich noch heute die Virchow-Medaille an vielen Universitäten weltweit. Allein in Berlin wurde sie an sieben Institutionen abgegeben (Königliches Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten, Königliche Friedrich-Wilhelms-Universität, Pathologisches Institut der Universität, Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Berliner Medizinische Gesellschaft, Königliches Münz-Kabinett), was ebenso Virchows Wirken dokumentiert als auch den Kunstwert der Medaille und die Verbindung von Kunst und Wissenschaft offenbart. Insgesamt wurden 62 Bronze-Exemplare hergestellt (neben sechs Exemplaren für die Familie sowie je eine Gold- und Silbermedaille), wie aus der Rechnungslegung hervorgeht. Die Kosten dafür lagen unter den Mitteleinwerbungen der Beiträger, so dass Virchow noch zusätzlich 2.645,11 Mark erhielt, die er für seine Stiftung verwendete.

Auf dem Revers der Medaille wird mit allegorischen Figuren auf die Wirkungsgebiete Virchows verwiesen.

Abb. 2
Abb. 2

Der auf der linken Seite stehende geflügelte Genius der Forschung hält eine Fackel über die vor ihm sitzende Personifikation der Wissenschaft. Der Totenschädel in ihrer ausgestreckten linken Hand, das aufgeschlagene Buch auf ihren Knien, die weiteren Bücher und Instrumente im Vordergrund sowie die Schädel im Regal im Hintergrund weisen auf Virchows Forschungen zur Anatomie, Anthropologie und Ethnologie. Das Mikroskop, ebenfalls im Regal platziert, und die Inschriften auf einem Präparateglas („Embolia“) sowie am unteren Rand („omnis cellula a celulla“) erinnern an Virchows Arbeiten zu Thromboseursachen und Zelltheorie – in seinem Aufsatz zur Cellularpathologie von 1855 hatte er den Grundsatz beschrieben, dass jede Zelle aus einer Zelle stammt. Damit wurde die seit der Antike geltende Körpersäftelehre abgelöst.
Die Isis-Statue, an deren Sockel eine Tafel mit der Ansicht des Pathologischen Institutes lehnt, und der Sarkophag rechts stehen symbolisch für den Pathologen Virchow.

Auf allen diesen Gebieten hatte sich Virchow in Berlin einen Namen gemacht. 1856 als Professor für Pathologie und Therapie berufen, arbeitete er auch als Arzt an der Charité und konnte sich des ersten Pathologischen Instituts Deutschlands rühmen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde es um neue Gebäude erweitert, u.a. mit einem Pathologischen Museum der Universität, Lehr- und Forschungsbauten. Im ehemaligen Museumshaus des Instituts für Pathologie befindet sich heute das Berliner Medizinhistorische Museum.
Ebenfalls 1891 erhielt Rudolf Virchow die Ehrenbürgerwürde von Berlin. Einen ähnlichen Festakt und auch eine weitere Medaille wurden ihm zu seinem 80. Geburtstag gewidmet.

Autorin: Christina Kuhli, Kustodin der HU
Kunstsammlung / Kustodie der Humboldt-Universität