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Holländische Schule, Hausschlachtung eines Rindes, vermutlich 17. Jahrhundert

Öl/LW, 72 x 100 cm, Kustodie/ Kunstsammlung

Das Küchenstück, das uns in eine holländische Küche des 17. Jahrhunderts entführt, ist in mehrfacher Hinsicht eine besondere Rarität der Kunstsammlung. Es ist das älteste Gemälde, das einzige aus den Niederlanden und mit diesem Sujet. Entsprechend spannend ist die Frage nach seiner Herkunft, aber auch der Bedeutung der Darstellung.

Holländische Schule, Hausschlachtung eines Rindes, vermutlich 17. Jahrhundert

Holländische Schule, Hausschlachtung eines Rindes, vermutlich 17. Jahrhundert

Öl/LW, 72 x 100 cm, Kustodie/ Kunstsammlung

Markt- und Küchenstücke, auf denen diverse Esswaren präsentiert werden – von Obst und Gemüse über Backwaren, Fisch und Fleisch –, waren in der holländischen und flämischen Malerei des 17. Jahrhunderts keine Seltenheit. Das reichhaltige Angebot verweist auf den ökonomischen und kulturellen Wohlstand des Landes im so genannten „Goldenen Zeitalter“. Bestimmte Tiere durften nur vom Adel und dem privilegierten Bürgertum gejagt werden und diesen Status übersetzten die Maler in die unterschiedlichen Texturen und Farben von Fell und Federn. Überbordende Marktstände oder Küchenborde wurden im 16. Jahrhundert noch mit moralischen und ermahnenden Botschaften zur Mäßigung durch im Hintergrund platzierte christliche Szenen kommentiert. Doch ein Jahrhundert später waren die ostentative Zurschaustellung von Nahrungsmitteln sowie der guten Haushalts- und Lebensführung wichtiger geworden. Wie in unserem Küchenstück treten häufig Mägde bei ihrer Arbeit auf. Nicht selten kommen dabei auch sexuelle Anspielungen ins Bild – dass es häufig Vögel sind, die hierbei eine Rolle spielen, macht es auch dem modernen Betrachtenden leicht, die Bedeutung zu entschlüsseln.
In unserem Fall mag jedoch auch das Motiv des Memento mori noch mitschwingen – der Verweis des Tierkadavers auf die eigene Endlichkeit des sterblichen Fleisches. So geht der Blick der Magd prüfend zum bilddominanten Rinderkadaver, der zum Ausbluten aufgehängt ist. Hier ist das Tier bereits zum Fleisch geworden, ausgenommen bis auf die Eingeweide und Knochen. Doch links ist der Kopf des Rindes auf einem Tisch platziert, sorgsam leicht schräg und gut beleuchtet in Szene gesetzt. Hier blickt uns das empfindende Tier an. Allerdings ist es seiner Hörner beraubt, die ebenso wie die Haut vor dem Tisch liegen. Ebenso kontrastreich erscheint das weiße Tuch im aufgespannten Rinderkorpus – ein Küchenutensil, das fast religiös in seiner unschuldigen Reinheit wirkt. Die Figuren im Hintergrund führen jedoch wieder in das häusliche Treiben zurück – der Koch an der Feuerstelle unterhält sich mit einer Magd, ein weiterer Gehilfe ist schon auf dem Weg aus der Küche. Auch wenn der Raum eher karg anmuten mag, die Tatsache, dass hier mehrere Bedienstete am Werk sind und die Wohnräume getrennt liegen, weisen auf wohlhabende Bürger hin. Ein solcher war vermutlich auch der erste Käufer des Bildes.

An die Universität kam das Gemälde vermutlich als Schenkung. Auf dem Keilrahmen befindet sich auf der Rückseite eine Inschrift, die uns verrät, dass ein gewisser Dr. Georg Bugge das Bild dem Institut für Lebensmittelhygiene zu Weihnachten 1937 übergab. Dieses gehörte zur veterinärmedizinischen Fakultät. Das von Carl Gotthard Langhans entworfene Tieranatomische Theater zeugt noch heute von dieser Zeit. 1789-90 gebaut für die Königliche Tierarzneischule, seit 1887 Tierärztliche Hochschule, waren in der sog. Zootomie von 1920 bis zur Schließung im Jahr 2005 u.a. Forschungslaboratorien der tierärztlichen Lebensmittelhygiene untergebracht. Während ursprünglich kranke Pferde und die Behandlung der Rinderpest im Vordergrund standen, entwickelten sich die Lehr- und Forschungsaufgaben auf dem Gebiet der Haustierkunde (Anatomie, Physiologie, Histologie, Pathologie) im Laufe der Zeit immer breiter. Durch bauliche Erweiterungen stand der Langhansbau im 20. Jahrhundert vor allem der Fleischbeschau und Nahrungsmittelhygiene zur Verfügung. Der 1937 gegründete Fachbereich Veterinärmedizin wurde 1992 mit der Freien Universität fusioniert und ist heute in Düppel und Dahlem beheimatet. Insofern ist das altniederländische Gemälde ein besonderes Relikt der HU-Geschichte und ihrer Forschungseinrichtungen.

Autorin: Christina Kuhli, Kustodin der HU
Kunstsammlung / Kustodie der Humboldt-Universität