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Sabina Grzimek, Sinnende, 1972-74

Bronze und Beton, Hauptgebäude, Innenhof

Abb.1: Sabina Grzimek, Sinnende, 1972-74
Abb.1: Sabina Grzimek, Sinnende, 1972-74

Nachdenklich dasitzen, grübeln – eben sinnen, wer hat das nicht schon vor Referaten, Prüfungen oder angesichts der vielen möglichen Aktivitäten an der Uni gemacht. Der Titel der Plastik von Sabina Grzimek beschreibt genau diesen Ausdruck, den uns die Figur durch ihre Haltung vermittelt: Auf einem hochrechteckigen Kubus sitzt sie leicht vorgebeugt, die Beine über­einandergeschlagen, den linken Ellbogen auf das rechte Knie gestützt, den Kopf in die linke Hand gelegt. Der Blick der Frau geht in eine unbestimmte Ferne – oder in sich selbst. Der rechte Arm, mit dem sie sich auf dem Sockel abstützt, verleiht ihr im Gegenzug eine spannungsreiche Präsenz im Hier und Jetzt. Die klare und strenge Form der Figur wird durch die spröde Oberfläche mit Kerben, Furchen und Einbuchtungen belebt. Es ist keine Idealfigur, die hier etwa lebensgroß präsentiert wird, aber sie bleibt abstrakt genug, um nicht als Porträt zu erscheinen.

In vielen ihrer Werke macht sich Sabina Grzimek allerdings selbst zum künstlerischen Thema, ihre Gefühle, ihr Verhältnis zur Welt. So mag auch hier das Subjektive „Anlaß und Anstoß zu einer Gestaltung [gegeben haben], die aus der eigenen Existenz Kraft und Motivation für eine Durchdringung allgemeiner Problematik und Lebensfragen holt“ (Fritz Jacobi, in: Ausst.-Kat. Sabine Grzimek. Skulpturen in Bronze, Galerie Hedwig Döbele, Ravensburg 1988, S. 6).

Abb.2: Sabina Grzimek, Sinnende, 1972-74
Abb.2: Sabina Grzimek, Sinnende, 1972-74

Mag die Figur von ihrer Pose an die berühmte Denkerfigur von Auguste Rodin erinnern und der schlanke Körper mit den langen Gliedmaßen Skulpturen Wilhelm Lehmbrucks assoziieren, so ist das Motiv doch weitaus älter. Es findet sich sogar schon in der Antike und zieht sich ebenso bei Heiligendarstellungen wie im profanen Bereich durch alle Jahrhunderte und Bildgattungen.

Die „Sinnende“ war eine Auftragsarbeit für den Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD). Die 1972-74 geschaffene Plastik (genauer: der vermutlich erste Abguss, den die Künstlerin der Humboldt-Universität schenkte) fand zunächst 1978 ihren Aufstellungsort in der Storkower Straße in Lichtenberg, im Innenhof des Studentenheims Ferdinand Thomas (vgl. Nicola Vösgen, https://bildhauerei-in-berlin.de/bildwerk/sinnende-9772/ [letzter Abruf: 01.02.2023]). Nach dem Ende der DDR gehörte diese Liegenschaft nicht mehr zum Universitätsbestand, und so wurde Grzimeks Figur nach einem Intermezzo in der Nationalgalerie am 21.12.1995 in den Gartenhof des Hauptgebäudes versetzt. Derzeit blickt sie dort auf die Bauleitercontainer und sinniert vielleicht über den Fortschritt der Sanierungsarbeiten.

Sabina Grzimek (geb. 1942) entstammt einer Künstlerfamilie, ihr Vater Waldemar Grzimek war ein bekannter Bildhauer, ihre Mutter Christa Malerin. Sabine Grzimek studierte an der Kunsthochschule Weißensee, wirkt seit 1967 freischaffend und wurde 1969-72 Meisterschülerin an der Akademie der Künste bei Fritz Cremer. Sie erhielt diverse Einzel­ausstellungen und war regelmäßig bei der Kunstausstellung der DDR in Dresden vertreten. Viele ihrer Werke finden sich deutschlandweit in Museen und Ausstellungshäusern.

Autorin: Christina Kuhli, Kustodin der HU
Kunstsammlung / Kustodie der Humboldt-Universität