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Kunstsammlung / Kustodie der Humboldt-Universität

Totenmaske Friedrich Nietzsche

Von Friedrich Nietzsche existieren mehrere Totenmasken. Die authentische, nur kurz nach dem Tode abgenommene Maske durch Curt Stöving im Beisein von Harry Graf Kessler gilt als verschollen. Da diese sehr fehlerhaft war (die Nase war nach links verbogen und die rechte Augenbraue gespalten) und ein von Krankheit gezeichnetes Gesicht Nietzsches zeigte, ließ Nietzsches Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche die Maske zuerst durch den Bildhauer Max Klinger "korrigieren" durch ein kompliziertes Umgussverfahren. Weiterhin mit dem Ergebnis nicht zufrieden ließ sie von Rudolf Saudek 1910 eine weitere Maske herstellen, die dieser auf Grundlage von Fotografien und unterschiedlicher Nietzsche-Porträts anfertigte. Davon wurden mehrere Exemplare hergestellt. Die Maske von Lorenz Zilken, nach 1920 bzw. um 1930 entstanden, dürfte sich an dieser orientieren, der Bildhauer arbeitete die Gesichtszüge aber etwas kantiger und geglättet heraus. (Vgl. Ulrike Lorenz/ Thorsten Valk: Kult - Kunst - Kapital. Das Nietzsche-Archiv und die Moderne um 1900, Klassik Stiftung Weimar Jahrbuch 2020, S. 292; Michael Hertl: Der Mythos Friedrich Nietzsche und seine Totenmasken. Optische Manifeste seines Kults und Bildzitate in der Kunst, Würzburg 2007.)
Der mit Rainer Maria Rilke befreundete Kulturphilosoph Rudolf Kassner setzte sich eingehend mit der Physiognomie der Saudekschen Maske auseinander und steigerte Nietzsches Antlitz ins Geistige und Heroische: "Die Gewalt von Nietzsches Stirn akzentuiert sich in dem Grade mehr, als diese, die Schädelwelt verlassend, über die zwei herrlichen, dem musischen Kopf eigenen Ausbeugungen oder Schildern oder Stirnzitzen in der Mitte zwischen Haaransatz und Brauen in die Augen- oder Gesichtswelt taucht oder stürzt. (...) Ist der Gedanke etwas anderes als der Blitz, der sich aus eben der Spannung zwischen Geistes- und Gesichtswelt löst? (...) Nietzsches Kinn ist das eines Offiziers: kahl, (...) angriffslustig, fast schneidend, unsinnlich. Das Gesicht Nietzsches ist unsinnlich und dennoch ganz und gar nicht asketisch oder asketenhaft. (...) Nietzsches Gesicht ist das eines Ohrmenschen, diese sehr gewölbte, ja aufgebuckelte, durch eine von der Nasenwurzel aufsteigende Rille geteilte Stirn, eine vom Gedanken in zwei Teile zerschlagene Musikerstirn, Nietzsche selbst ganz und gar der Musiker unter den Philosophen. (...) Nietzsches Gesicht sündenlos zu nennen, wäre falsch, vielmehr muss es heißen, dass darin der Begriff der Sünde verworfen erscheint. Auf alle Fälle lässt sich ein weniger lasterhaftes Gesicht, ein keuscheres - von der Keuschheit des Mannes - nicht denken. Nietzsches Gesicht ist in gewissem Sinne das Gegengesicht zu jenem des Bauern, des Adeligen, (...) zum Gesicht des Instinktmenschen. Nietzsches Nase ist zu klein. Trotz deren wundervoller, durch Leiden und Schmerzen vollzogener Innervation muss man sagen, dass dieser Mensch mehr denkt und redet, als er riecht. Und wenn er reicht, so ist es schon das Riechen des Kranken, eines von furchtbaren Kopfschmerzen Gemarterten." (Rudolf Kassner, Physiognomische Studien, in : Das Inselschiff, Bd. VI, Heft I, 1924, S. 74-78; Hertl 2007, S. 68-69).

Detailangaben

Eintragstyp Plastische Objekte
ID 72887
Inventar-Nr. P 333
Sachtitel Totenmaske Friedrich Nietzsche
Datierung um 1930
Hersteller Lorenz Zilken
Beschriftung seitl. sign.
Format 30 cm

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