Wissenschaftliche Sammlungen

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Lautarchiv

Das Lautarchiv verfügt über ca. 4.500 Schellackplatten aus eigener Aufnahmetätigkeit (2/3 Sprach-, 1/3 Musikaufnahmen) aus den Jahren 1915-1944. Hinzu kommen ca. 3.000 Platten in Form von Dubletten und Ankäufen. Dokumentationsmaterial ist ebenso vorhanden. Des Weiteren gibt es ca. 180 Wachswalzen, 150 Gelatineplatten, 150 Tonbänder (überwiegend Sprachstudien) sowie technische Geräte aus der Geschichte der Schallaufzeichnung und -analyse.

© Humboldt-Universität zu Berlin: Lautarchiv

Detailangaben

Eintragstyp Sammlungen
ID 125
Erschließungstyp Die Schellackplatten sind digitalisiert und in der Datenbank "Kabinette des Wissens" katalogisiert und online recherchierbar. Im Lautarchiv sind Arbeitskopien der Dokumentationen einsehbar.
Gründungsdatum 1920-04-01

Ereignisse

1877 Erfindung

Thomas Alva Edison entwickelte den Phonographen, ein Gerät, das mittels Wachswalzen im sog. Tiefenschriftverfahren Schallereignisse aufzeichnen und wiedergeben konnte. Damit war zum ersten Mal die Möglichkeit gegeben, akustische Phänomene in einer reproduzierbaren Form zu fixieren.

1887 Erfindung

Erfindung des Grammophons durch Emile Berliner. Das Grammophon arbeitet mit Seitenschrift und ermöglicht die Aufnahme von Makrorillenplatten (Schellackplatten).

1889 Kampagne

Aufnahmen der Phonographischen Kommission in Kriegsgefangenenlagern während des 1. Weltkriegs

1. März 1890 Forschungsprojekt

Der amerikanische Anthropologe Jesse Walter Fewkes stellte mit einem Phonographen eine Serie von Sprach- und Gesangsaufnahmen der Passamoquoddi-Indianer her, wodurch die wissenschaftliche phonographische Feldforschung ihren Anfang nahm.

1892 Forschungsprojekt

Aufnahmen der Phonographischen Kommission in Kriegsgefangenenlagern während des 1. Weltkriegs

1899 Gründung

Mit der Gründung des "Wiener Phonogrammarchivs" an der "Österreichischen Akademie der Wissenschaften" wurde das erste phonographische Schallarchiv der Welt ins Leben gerufen. Die Sammlungsschwerpunkte verteilten sich hier gleichermaßen auf Musik, Sprache und Stimmporträts. Ähnliche Institutionen wie z.B. in Paris, London, Berlin oder St. Petersburg sollten dem Wiener Beispiel bald folgen.

1900 Beginn

Die ersten Tondokumente für das wenig später errichtete "Berliner Phonogramm-Archiv" entstanden, als der Psychologe Carl Stumpf einen Auftritt thailändischer Hofmusiker, die in Berlin gastierten, mit Hilfe eines Edison-Phonographen aufzeichnete.

1901 Gründung

Andere Ziele als in Wien verfolgte Carl Stumpf mit der Gründung des "Berliner Phonogramm-Archivs", das zunächst als Universitätssammlung dem Psychologischen Institut der Universität angegliedert wurde. Von Anfang an stand die Musik mit Konzentration auf Musikerzeugnisse fremder Völker im Vordergrund der Sammeltätigkeit.

Zwischen 1901 – 1952 Technik

Während man anderenorts längst Tonbandgeräte benutzte, wurde am Berliner Phonogramm-Archiv noch der Edison-Phonograph verwendet. Die sofortige Aufnahme- und Wiedergabemöglichkeit, der Vorteil, daß er keinen elektrischen Strom benötigte, leicht transportabel und einfach zu bedienen war, machte den Phonographen für die Feldforschung zum bevorzugten Aufnahmegerät. Die Grammophonmethode schied für den ethnologischen Bereich vor Ort wegen des zu hohen Gewichts der Aufzeichnungsmaschinen und der aufwendigen Technik aus.

Um 1904 Beginn

Der Gymnasiallehrer Wilhelm Doegen beschäftigte sich mit der grammophonischen Aufzeichnung des gesprochenen Wortes. Doegen arbeitete daran, die Lautschrift fremder Sprachen unter Einbeziehung von Tonaufnahmen verständlicher zu vermitteln. Sein Interesse galt der Schallplatte als phonetisches Lehrmittel zunächst im Englischunterricht.

1905 Leitung

Die Leitung des Phonogramm-Archivs wurde Erich Moritz von Hornbostel übertragen.

31. Dezember 1907 Schenkung

Ludwig Darmstaedter schenkte die "Ludwig Darmstaedter Autographen Sammlung zur Geschichte der Wissenschaft" der Generalverwaltung der Königlichen Bibliothek in Berlin.

1909 Veröffentlichung

Herausgabe der mehrbändigen Reihe "Doegens Unterrichtshefte für die selbständige Erlernung fremder Sprachen mit Hilfe der Lautschrift und der Sprechmaschine". Ein Sprachkurs, der erstmals die Lautschrift und Lautplatte vereinte.

1910 Ausstellung

Päsentation Wilhelm Doegens "Lautplatten zum Zweck der Sprachforschung und Lehre" auf der Weltausstellung in Brüssel. Doegen wurde mit der Silbernen Medaille ausgezeichnet.

1912 Verbreitung

Etwa 1000 Schulen und einige Universitäten verwendeten nun die Lautplatten Doegens für den Sprachunterricht.

1. Februar 1914 Antrag

Wilhelm Doegen reichte seine "Vorschläge zur Einrichtung eines Königlichen Preußischen Phonetischen Instituts" bei dem Kultusministerium ein. Dieser Antrag bildete die Grundlage zur "Königlichen Preußichen Phonographischen Kommission" und umfasste folgende Komponenten: "1. Sprachen sämtlicher Völker der Erde; 2. Sämtliche deutsche Mundarten; 3. Musik und Gesang sämtlicher Völker der Erde; 4. Stimmen der großen Persönlichkeiten; 5. Verschiedenes." Auch wird hier bereits die Gliederung der 1920 institutionalisierten Lautabteilung angedeutet.

1915 Gründung

Gründung der "Königlichen Preußischen Phonographischen Kommission" unter der Leitung von Carl Stumpf und Wilhelm Doegen als geschäftsführenden Sekretär. Mehr als 30 namhafte deutsche Sprachwissenschaftler, Musikwissenschaftler und Anthropologen wurden Mitglieder der Kommission.

29. Dezember 1915 – 19. Dezember 1918 Forschungsprojekt

Die Phonographische Kommission führte im geheimen Auftrag während des Ersten Weltkriegs in den deutschen Internierungslagern Sprach- und Musikaufnahmen durch mit dem Ziel, die etwa 250 Sprachen der Gefangenen sowie ihre traditionelle Musik nach methodischen Grundsätzen systematisch aufzuzeichnen und mit dazugehörigem Textmaterial zu bearbeiten. Dabei wurden 1651 grammophonische Studien (überwiegend Sprachdokumente und einige Musikaufnahmen) von Wilhelm Doegen und 1022 Wachswalzen (ausschließlich Musikaufnahmen) von dem Musikwissenschaftler Georg Schünemann angefertigt.

1917 Einrichtung

Ludwig Darmstaedter errichtete zusammen mit Wilhelm Doegen eine "Stimmen-Sammlung zur Autographen-Sammlung Darmstaedter" an der Preußischen Staatsbibliothek. Die Stimmensammlung umfasste zu der Zeit 41 Stimmporträts bekannter Persönlichkeiten.

1920 Auflösung

Aufnahmen der Phonographischen Kommission in Kriegsgefangenenlagern während des 1. Weltkriegs

1. April 1920 Gründung

Gründung des "Lautarchivs" durch Wilhelm Doegen. Auf Veranlassung Se. E. v. Harnacks wurde es als Lautabteilung der Preußischen Staatsbibliothek angegliedert. Grundstock bildeten die während des Ersten Weltkriegs in den Gefangenenlagern entstandenen grammophonischen Aufzeichnungen (die Wachswalzen mit den Musikaufnahmen gelangten in das Phonogramm-Archiv). Hinzu kamen eine Anzahl von Doegens Sprachunterrichtplatten und seine Platten der Stimmensammlung berühmter Persönlichkeiten.

Zwischen 1922 – 1944 Projekt

Eigenständige Sammeltätigkeit der Lautabteilung. Zur Dokumentation jeder Aufnahme wurde ein Personalbogen mit Transkriptionen und gegebenenfalls Übersetzungen angelegt.

1. Oktober 1931 Übernahme

Die Aufsicht über die Lautabteilung wurde der Friedrich-Wilhelms-Universität zugesprochen (Doegen wegen Verstoßes gegen die Haushaltsvorschriften zeitweilig entlassen).

1933 Leitung

Die Leitung der Lautabteilung übernahm der Afrikanist und Phonetiker Dietrich Westermann. Doegen führte keine weiteren Aufnahmen mehr durch.

1. Dezember 1933 Vorschlag

Vorschlag Westermanns, die Lautabteilung als Lehr- und Forschungsstätte für Phonetik in ein "Institut für Lautforschung" an der Universität umzuwandeln.

14. Februar 1934 Umwandlung

Umwandlung der Lautabteilung in das "Institut für Lautforschung" und Eingliederung in die Universität durch Erlass des Ministers.

Zu Beginn des Wintersemesters 1935 Neugliederung

Das Institut für Lautforschung wurde in drei Bereiche unterteilt, denen jeweils ein Fachwissenschaftler vorstand: 1. eine linguistische Abteilung (Dietrich Westermann); 2. ein phonetisches Laboratorium (Franz Wethlo); 3. eine Musikabteilung (Fritz Bose). Zu dieser Zeit entstanden ein Katalog der Musikaufnahmen von Fritz Bose: "Lieder der Völker" sowie Veröffentlichungen zu Teilen der Sprachplatten.

1939 – 1941 Forschungsprojekt

Während des Zweiten Weltkriegs wurden wiederum Tondokumentationen Kriegsgefangener in Deutschland als auch in Gefangenenlagern in Frankreich (dort insbesondere afrikanische Sprachaufnahmen) erstellt. Alle Matrizen der Lautplatten gingen im Krieg verloren, das Institut blieb jedoch bestehen.

1947 Umbenennung

Das Institut für Lautforschung erhielt die Bezeichnung "Institut für vergleichende Phonetik", die Leitung blieb bei Dietrich Westermann.

1947 Leitung

Wilhelm Doegen wurde Leiter der "wissenschaftlichen Bibliothek" des Lautarchivs und erhielt einen Lehrstuhl für Anglistik an der Pädagogischen Hochschule in Berlin.

Mit Beginn des Sommersemesters 1951 Umbenennung

Umbenennung des Instituts für vergleichende Phonetik in "Institut für Phonetik".

1962 – 1969 Erweiterung

Bildung des "Instituts für Phonetik und Kommunikationswissenschaft", das Lautarchiv wurde mit übernommen.

1969 Umstrukturierung

Das Institut für Phonetik und Kommunikationswissenschaft verlor seine Eigenständigkeit und wurde als eine "Abteilung Phonetik/Sprechwissenschaft" in die Sektion Rehabilitationspädagogik und Kommunikationswissenschaft eingegliedert. Dem Lautarchiv wurde in dieser neuen Einrichtung kaum noch Aufmerksamkeit geschenkt. Die Plattensammlung hat in der Folgezeit durch mehrere Umzüge und Umstrukturierungen der wissenschaftlichen Institutionen verschiedene Standorte in der Universität erfahren.

1975 Umzug

Der Musikethnologe Jürgen Elsner bewirkte die Unterbringung der Lautsammlung in dem Institut für Musikwissenschaften der Humboldt-Universität, Am Kupfergraben 5.

1990 Übernahme

Dieter Mehnert übernahm in den neunziger Jahren die Betreuung der Sammlung.

1996 Veröffentlichung

Dieter Mehnert legte einen ersten zusammenfassenden Bericht über das Lautarchiv vor.

Zwischen 1997 – 2007 Projekt

Das Lautarchiv wurde in das Sammlungsprojekt des Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik an der Humboldt-Universität aufgenommen und zwischen 1999 und 2007 mit Mitteln der Volkswagenstiftung gefördert. Initiatoren dieser Unternehmung waren der Kunsthistoriker Horst Bredekamp und der Mathematiker Jochen Brüning.

1. Februar 1999 Erschließung

Systematische Erschließung der Archivbestände durch den Musikethnologen Jürgen Mahrenholz am Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik. Wegen Renovierungsarbeiten der Gebäude Am Kupfergraben 5 vorübergehend untergebracht in der Burgstraße 26.

10. Dezember 2000 – 4. März 2001 Ausstellung

Präsentation des Lautarchivs in der Ausstellung "Theater der Natur und Kunst" der Humboldt-Universität im Martin-Gropius-Bau Berlin.

16. Mai 2002 Umzug

Nach Renovierung des Gebäudes Am Kupfergraben 5, Umzug des Lautarchivs in Räume des Musikwissenschaftlichen Seminars

2007 Ehrung

Der Dokumentarfilm "The Halfmoon Files - a ghost story..." (Buch, Regie: Philip Scheffner) feiert bei der Berlinale Weltpremiere. Er gewinnt den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts, den Förderpreis der Stadt Duisburg, wird beim Int. Independent Filmfestival of Mar del Plata (Argentinien) zum besten Dokumentarfilm gewählt, erhält den Prix des Mediatheques des Festival International du Documentaire Marseille und den Award for best Documentation & Research beim Memorimage Festival, Reus (Spanien).

2007 Erschließung

Zum Ende der Förderung durch die VW-Stiftung sind 6.400 Aufnahmen auf Schellackplatten digitalisiert, im Rahmen der Datenbank Kabinette des Wissens erschlossen und online recherchierbar. Es fehlt jedoch noch ein Konzept zur Erschließung des umfangreichen schriftlichen Begleitmaterials. Zugleich endet die kustodische Betreuung des Lautarchivs durch Jürgen Mahrenholz, da die Universitätsleitung keine Mittel zur weiteren Betreuung zur Verfügung stellt.

2007 – 2008 Ausstellung

Die Ausstellung "Making of ... The Halfmoon Files" (Kuratoren: Britta Lange, Philip Scheffner) wird im Kunstraum Kreuzberg / Bethanien (Berlin) gezeigt (Förderung: Hauptstadtkulturfonds).

2011 Ausstellung

Die englische Version der Ausstellung "Making of ... The Halfmoon Files" wird in Mumbai und Delhi gezeigt.

2011 – 2013 Betreuung

Melanie Wald-Fuhrmann übernimmt als Professorin für Musiksoziologie und Historische Anthropologie der Musik an der HU die Zuständigkeit für das Lautarchiv und initiiert Katalogisierungs- und Konservierungsmaßnahmen (bis zum Verlassen der Humboldt-Universität 2013).

ab 2013 Zusammenarbeit

Das Lautarchiv ist assoziierter Partner des internationalen Forschungsverbundes Cultural Exchange in a Time of Global Conflict: Colonials, Neutrals and Belligerents during the First World War (Förderung durch Humanities in the European Research Area "HERA") (Projektleitung: Heike Liebau, Zentrum Moderner Orient, Berlin)

ab 2013 Zusammenarbeit

Das Lautarchiv ist Kooperationspartner eines von der DFG geförderten Projektes des Phonogrammarchivs am Ethnologischen Museum Berlin zur Erschließung und Digitalisierung der Tonaufnahmen Preußischen Phonographischen Kommission 1915-1918 (Projektleitung: Lars-Christian Koch, Staatliche Museen zu Berlin)

2013 Planung

In den finalen Bauplänen des Humboldt-Forums auf dem Berliner Schlossplatz sind Räumlichkeiten für das Lautarchiv vorgesehen; das Konzept der Humboldt-Universität sieht für 2019 den Umzug des Lautarchivs als einzige Universitätssammlung ins Humboldt-Forum vor. Auch das Phonogrammarchiv des Ethnologischen Museums Berlins soll in das Humboldt-Forum einziehen.

2013 – 2014 Betreuung

Im Rahmen des 100. Jahrestages des Ersten Weltkriegs wird das Lautarchiv über 150 Mal für Ausstellungs-, Forschungs-, Lehr- und Kunstprojekte angefragt (u.a. BBC international, NTR (öffentlicher Rundfunk Niederlande), ZDF, RBB, Deutsches Historisches Museum, Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Blixa Bargeld, King’s College London, Archive and Public Culture Research Initiative (University of Cape Town), Columbia University New York); da keine Kustodenstelle eingerichtet ist, übernehmen Mitarbeiter/innen der Technischen Abteilung (Michael Willenbücher), des Instituts für Kulturwissenschaften (Britta Lange), des Hermann von Helmholtz-Zentrums (Jochen Hennig) und der Musikwissenschaften (Sarah Grossert) die Bearbeitung der Anfragen.

seit 2014 Verwaltungsübertragung

Das Präsidium der Humboldt-Universität überträgt dem Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik die Zuständigkeit für das Lautarchiv

Verschlagwortung