Die Rektorenketten von 1817 und 1960
Das Jahr 1817 markiert für die Friedrich-Wilhelms-Universität einen besonderen Zuwachs an Insignien und damit der offiziellen Repräsentation als eigenständige Institution. Während man auf die Universitätszepter noch ein weiteres Jahr warten muss (vgl. https://www.sammlungen.hu-berlin.de/objekte/kunstsammlung/8647/), erhalten die Rektoren von Berlin und Breslau (1811 war die ehemalige Leopoldina gemeinsam mit der Brandenburgischen Universität Frankfurt unter Friedrich Wilhelm III. zu einer preußischen Universität geworden) ein Medaillon mit dem Bildnis Friedrich Wilhelms III. als Amtsschmuck. Gestaltet wurde es nach einer Zeichnung des Berliner Hofmedailleurs Ludwig Jachtmann (1775–1842), beauftragt vom Ministerium des Inneren für Handels- und Gewerbe-Angelegenheiten bei der Akademie der Künste. Die Ausführung scheint jedoch nicht zufriedenstellend gewesen zu sein, da das Ministerium den Medailleur und Bildhauer Leonhard Posch (1750–1831) bat, das Brustbild „mit dem ähnlichsten Kopfe“ zu gestalten. Posch, geübt im Anfertigen von Porträtmedaillen berühmter Zeitgenossen (darunter von Wolfgang Amadeus Mozart, aber auch 1814 und 1815 bereits von Friedrich Wilhelm III.) und gelobt von Künstlerkollegen wie Johann Gottfried Schadow (der auch selbst Medaillen schuf), konnte mit seiner Ausführung offenbar überzeugen. Dem Zeitgeschmack entsprechend wurde Friedrich Wilhelm III. als Brustbild im Profil in Uniform, mit Ordensdekoration und Hermelinmantel dargestellt. Vom Medailleur Anton Friedrich König d. J. (1794–1844) wurden schließlich die zwei Exemplare für Berlin und Breslau in Gold gegossen und ziseliert.
Als Hofmedailleur war Jachtmann auch damit betraut, die vergoldete silberne Kette anzufertigen. In einem ersten Entwurf plante er eine Kette mit vier kleinen, runden Medaillons. Sie sollten als Sinnbilder die vier Fakultäten (Medizin, Philosophie, Rechtswissenschaft, Theologie) repräsentieren. Diese durchaus übliche Bildsprache wurde in der ersten Fassung allerdings noch nicht als gelungen beurteilt. Jachtmann änderte die Kettenglieder ins Ovale und sah nun eine doppelreihige Kette vor (wobei die innere Kette variabel auf die gewünschte Höhe eingehakt werden konnte), die durch die Fakultätsmedaillons harmonisch rhythmisiert wurde.
Für Jachtmann begann mit dem Medaillon für die Rektorenkette eine langjährige Tätigkeit auf diesem Gebiet. Er entwarf ab 1816 mehr als zwanzig Jahre lang den Amtsschmuck für die preußischen Universitäten, neben den Rektorenketten die großen Universitätssiegel sowie die kleinen Dekan- und Fakultätssiegel.
Die Rektoren der Universitäten Berlin und Breslau (bis zu ihrer Auflösung als deutsche Universität 1945) trugen somit den gleichen Amtsschmuck, lediglich die Inschriften waren an die jeweiligen Orte angepasst.
In Berlin wurde am 20. Oktober 1817, anlässlich des Reformationsfestes, die Amtskette der Universität durch das Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten feierlich verliehen. Bis in die 1950er Jahre wurde diese Amtskette mit dem Bildnis Friedrich Wilhelms III. zu akademischen Feierlichkeiten vom Rektor der nun Humboldt-Universität zu Berlin benamten Hochschule getragen. Aufgrund dieser Namensgebung der Berliner Universität zur (königlichen) Friedrich-Wilhelms-Universität im Jahre 1828 mussten die Siegel erneuert bzw. angepasst werden, was sich (nicht zuletzt aufgrund von Ablehnungen der Entwürfe durch den König) insgesamt bis 1833 hinzog.
Erst 1953 wurde eine neue Siegelordnung beschlossen, die es ermöglichte, ein aktuelleres Motiv für die Nachkriegsuniversität zu entwerfen. Der damalige Rektor Walter Neye beauftragte dafür den stellvertretenden Direktor des Instituts für Kunsterziehung, Georg Stapel. Doch erst in Vorbereitung des bevorstehenden Doppeljubiläums von Universität (150 Jahre) und Charité (250 Jahre), für das ein aufwändiges Jubiläumsjahr geplant war, ging die Arbeit voran und eine Kommission verständigte sich auf formale Grundsätze. Funktional sollte das neue Siegel als Medaille für die Amtskette des Rektors, als Plakette, als Prägestempel, als Petschaft, als gedrucktes Signum auf wichtigen Dokumenten sowie als üblicher Stempel genutzt werden.
Georg Stapel arbeitete gemeinsam mit dem Berliner Grafiker Axel Bengs an dem heute noch für das Corporate Design der HU gültigen Motiv des stilisierten Doppelporträts der Brüder Humboldt. Stärker gerungen wurde um die Darstellung bzw. den Text auf der Rückseite. Eine Idee war, den damaligen Leitspruch der Universität, die 11. Feuerbachthese von Karl Marx, in Verbindung mit einer grafischen Darstellung der DDR oder der Weltkugel zu setzen und so das Nationale im Internationalen bzw. die „sieghafte Kraft des Marxismus“ auszudrücken (Brief Georg Stapel an Rektor Kurt Schröder, 18.3.1959). Schließlich wurde jedoch die Zäsur des Zweiten Weltkriegs und die Wiedereröffnung 1946 betont mit der Neuausrichtung der Wissenschaft für Fortschritt und Frieden. 1960 konnte der fertige und genehmigte Entwurf durch die Staatliche Münze Berlin als Siegel, Anhänger für die Amtskette des Rektors und als Gedenkmedaillen angefertigt werden. Zu den Jubiläumsfeierlichkeiten im November 1960 wurde die neue Rektorenkette erstmals von Rektor Kurt Schröder in der Öffentlichkeit getragen. Obwohl mit dem Doppelporträt der Humboldts bis heute ein überzeitliches und ideologiefreies Motiv die offizielle Bildsprache der Humboldt-Universität prägt, gibt es inzwischen zuweilen auch Kritik. So gab es 2024 eine Initiative um Constanze Gersdorff, um auch das Porträt Caroline von Humboldts in das Siegel zu integrieren. Die gebildete, kunstbeflissene und sehr eigenständige Ehefrau Wilhelms wird von der Universität bereits durch den seit 2010 vergebenen Caroline-von-Humboldt-Preis geehrt – den höchstdotierten Forschungspreis für Nachwuchswissenschaftlerinnen in Deutschland.
Literatur:
Kurt Rudolf: Wandlungen eines Siegels, in: Humboldt-Universität 15/16, 1980/81;
Klaus Sommer: Johann Ludwig Jachtmann. Hofmedailleur in Berlin, in: Numismatisches Nachrichtenblatt 39,3, 1990, S. 58-66 und 39,5, 1990, S. 108-115;
Angelika Keune: Gelehrtenbildnisse der Humboldt-Universität zu Berlin. Denkmäler, Büsten, Reliefs, Gedenktafeln, Gemälde, Zeichnungen, Graphiken, Medaillen, Berlin 2000, S. 276;
Anne Forschler-Tarrasch: Leonhard Posch. Porträtmodelleur und Bildhauer 1750-1831. Mit einem Verzeichnis seiner Werke und deren Vervielfältigungen in Eisen- und Bronzeguß, Porzellan und Gips, Berlin 2002, S. 29;
Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsarchiv, Rektorat II, Nr. 997, Bl. 88-91/ 112.